Chronique par Rigobert Dittmann sur Bad Alchemy (octobre 2011)
Über allen Wipfeln ist Ruh’? Nicht ganz. Da drüben im winzigen Juillaguet, das ist irgendwo abseits von Angoulême, da rauschen die dunklen Kronen, als wäre der Hundertjährige Krieg noch immer nicht vorbei. Kontrabass, Snare Drum & Cymbals und das Baritonsaxophon von DAUNIK LAZRO kitzeln auf Pourtant Les Cimes Des Arbres (Dark Tree, DT01) die Phantasie mit unheimlichem Raunen und tumultartigem Geschepper. Man hört und sieht, was man sehen will. Wie in dem Rorschachfleck auf dem Cover. Sind da Gesichter von kleinen Glatzköpfen mit wehenden Rock­schößen, von großen bärtigen Knollennasen? Oder nur die zerfetzte Kutte eines Mönchs, in den Schlamm getreten? Der Bassist BENJAMIN DUBOC und der Drummer DIDIER LASSERRE sind ein eingespieltes, ein eingeschworenes Team, im Free Unfold Trio, in Nuts und bei Dubocs großem Primare Cantus (auf Ayler Records). In der Zusammenarbeit der Beiden liegt der Akzent immer auf alt (statt neu), auf Land (nicht Stadt), auf organisch, gewachsen, natürlich (statt urban). Wind wispert in Blättern, Äste knarren, Zweige schaben aneinander oder an verfallenen Mauern. Nicht dass ich diese Improvisationskunst direkt als Programmmusik abstempeln möchte. Aber die Klangpoesie als solche, Titel wie ‘une lune vive’ und ‘retiennent la pluie’ und das Stichwort Basho (1644-1694) unterstreichen den poetischen Anspruch und legen Assoziationen nahe, wie sie auch Haikus des japanischen Meisters evozieren: Schnell ist der Mond // Die Blätter der Bäume // halten den Regen auf. Den Dreien gelingt das Kunststück, das Gemachte so klingen zu lassen, als würde es sich ereignen, sich entfalten. Aber die gebändigte Dramatik gegen Ende der ersten, gut 16-min. Passage ist ebenso bewusst mit Haltetönen, Arcostrichen und einzelnen Plonks ganz intensiv gestaltet, wie die folgenden 4 Minuten damit kontrastieren, wild bewegt und mit waidwundem Röhren bis hin zu schrillen Pfiffen. Lasserre lässt die Cymbals aufrauschen, pocht, tickelt und tokt in vielerelei Nuancen, Duboc schlägt mit dem Bogen, lässt die Saiten schnarren, Lazro schnaubt und summt gedämpft, gilft und blökt dann aber schon im nächsten Atemzug auch wie angestochen. Wildnis pur, viel Raum für kleine Finessen und große Gefühle. [BA 71 rbd]

 

 

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