Review by Rigobert Dittmann in Bad Alchemy (March 2018)

Der Altosaxophonist CHRIS PITSIOKOS – eine Entdeckung von Weasel Walter – hat sich in kürzester Zeit mit Protean Reality und seiner CP Unit via Clean Feed in die vorderste Reihe katapultiert. Stomiidae (DT09) zeigt ihn mit dem Gitarristen BRANDON SEABROOK und dem Cellisten DANIEL LEVIN als einen, den es juckt, sich mit kakophonem Wagemut, neobrutalistischer Verve und eiskalter Konzeptkunst die Finger zu verbrennen. Die Konturen des Gewollten wurden schon im Juni 2017 bei Pitsiokos’ Freakshow mit Tim Dahl und Jason Nazary angerissen in der Selbstverständlichkeit rasanter Schnittmuster voller löchriger und ruppiger Wendungen. Lektionen von Braxton oder Joe Maneri finden neben ugEXPLODEverschärftem Lachenmann und Ferneyhough so ungeniert Anwendung wie man sich mit Sperrmüll möbliert. Den Kopf voller mathematischer Konstrukte setzen sich die Prioritäten von allein, abseits jeder Gefälligkeit, kontra jede Verbindlichkeit. Bohrende Insistenz wird mit stacheldrahtiger Gitarristik garstig umwickelt, wobei ich gleich einen Teil von Seabrooks Geprickel Levin gutschreiben muss, so eng sind die beiden Saiteninstrumente ineinander verkrallt. Hyperschnelle Triller und kirrende Kürzel sind mit krabbeliger und schroffer Perkussivität eben noch gestaucht, jetzt schon gedehnt, hier zerknattert, da zugleich pitsiokos zerschrillt und levinesk zerkratzt. Bis hin zu mikrobruitistischer Radikalreduktion. Sprudelige Zirkularatmung und gilfendes Giftgelb werden aufgemischt mit federndem oder knarzigem Bogen und flimmernder Gitarre, schön Schräges phosphoriziert neben schräg Schönem, atroxer Gitarrensound schrammt gegen quietschende Cuíca. Und mitten in den gepressten Ungeheuerlichkeiten schimmert plötzlich doch ein lyrischer Konjunktiv. Wieder einmal zeigt Brooklyn, was es heißt, furchtlos up-to-date zu sein.

 

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